Kunst & Kultur

Eine Italienische Nacht

Eine Italienische Nacht - Komödie nach Ödön von Horváth

Scala Wien 21. Januar

Horváth, der Menschenkenner, der Leute durch ihre eigene Sprache so perfekt bloßstellen kann, beschreibt auch abgesehen von der politischen Fabel (die entsetzlicherweise heute so aktuell ist wie vor 85 Jahren!) in dieser Komödie vielschichtige Figuren: Ängstliche Spießbürger, Egoisten mit Weltrettungsansprüchen, laute Deppen und leise Vernünftig

Bitte hier klicken, um den Inhalt von YouTube zu aktivieren.

„Ort: Kleinstadt. Zeit: 1930 bis ?“ So die Angaben Horváths zu seiner wohl politischsten Komödie. Und dieses „Bis?“ ist der Anlass für unsere aktuelle Überschreibung des prophetischen „Volksstücks“, das bereits drei Jahre vor der rechten Diktatur das windelweiche Versagen der „demokratischen Kräfte“ gegen die Gewalt voraussagt.\n \n Es soll ein gemütliches Sommerfest werden, die „Italienische Nacht“, welche die sozialdemokratischen Honoratioren für ihre Gesinnungsfreunde im Garten des Gasthauses Lenninger ausrichten. Nur unangenehm, dass gleichzeitig die Rechtsextremen hier einen „Deutschen Tag“ mit Aufmarsch und Bierfest steigen lassen wollen. Doch als guter Demokrat lässt man sich von ein paar blöden Buben nicht provozieren! Ein paar junge Genossen sind zwar anderer Meinung und rufen zur Gegenaktion auf, werden aber kurzerhand als Radikale aus der Partei ausgeschlossen. Und dann weiter nach Plan! Das schöne Fest darf einfach nicht ins Wasser fallen!\n \n Horváth, der Menschenkenner, der Leute durch ihre eigene Sprache so perfekt bloßstellen kann, beschreibt auch abgesehen von der politischen Fabel (die entsetzlicherweise heute so aktuell ist wie vor 85 Jahren!) in dieser Komödie vielschichtige Figuren: Ängstliche Spießbürger, Egoisten mit Weltrettungsansprüchen, laute Deppen und leise Vernünftige, Leute wie du und ich, die unter unerfüllten Sehnsüchten, regelmäßiger Feigheit und gelegentlichen Mutausbrüchen, aber auch Liebe und anderen Charakterfehlern leiden.\n \n KRITIK\n Wenn draußen winterliche Temperaturen herrschen und Eisesglätte angesagt ist, kann man schon Sehnsucht nach einer italienischen Nacht entwickeln. Doch der Titel von Horváths Komödie führt in die Irre: wir befinden uns nicht unter südlicher Sonne, sondern im Schanigarten eines Heurigenlokals in einer Kleinstadt, zu einer Zeit, die mit „heute wie gestern“ angegeben wird. Das sind leider prophetische Worte, denn das 1931 uraufgeführte Stück hat eine tragische Aktualität bewahrt. Nicht umsonst betont Regisseur Bruno Max in seinem Einleitungstext zum Programmheft, dass er „keine 2 Prozent des Textes entstauben“ musste – und das glauben wir ihm ohne Nachzurechnen aufs Wort. \n Was sich bei Horváth im Biergarten anbahnt, führt zu keinem Blutvergießen, aber zu erschreckenden Erkenntnissen. Wirklich sympathisch ist keine der Figuren: wir haben es mit Opportunisten, Duckmäusern und großkotzigen Kleinkarierten zu tun. Auf jeder Seite Phrasendrescher und Parolenbrüller – egal, ob sich nun am Ende des hochgereckten Arms eine zur Faust geballte oder ausgestreckte Hand befindet. Abgesehen von den grölenden Deutschdümmlern, offenbaren sich die alten Linken als behäbige Verharmloser und Scheuklappenträger; die jungen lassen es zwar gerne krachen (sie sprengen einem Kriegsdenkmal die Spitze weg) und beschwören das Schreckbild eines „vierten Reichs“ herauf, verhalten sich aber auch äußerst fragwürdig, wenn z.B. einer von ihnen seine Freundin als Lockvogel auf einen Nazi ansetzt - also auf den politischen Strich schickt - und in Kauf nimmt, dass sie mit blauen Flecken oder noch gröberen Verletzungen zu ihm zurückkehrt.\n Die Raumgestaltung durch Bruno Max und Marcus Ganser sieht tatsächlich vor, dass wir in einem Gastgarten an alkoholisch wohlversorgten Tischen für Fünfergruppen Platz nehmen. Da die gesamte Länge des Raumes als Bühnenfläche genutzt wird, wirkt die nächtliche Feier sehr stilecht. Trotzdem versetzt uns das originalgetreue Ambiente nicht in Heurigenstimmung. Es entsteht hingegen eine gruselige Atmosphäre, wenn sich da im Zeichen von Vogerltanz und Polonaise gewaltsam Fröhlichkeit breit macht und die weinseligen Genossen immer mehr versumpfen, während die (Neo)Nazis im Hintergrund singend und trommelnd vorbeidefilieren. Es ist also durchaus berechtigt, dass man angesichts dieses Stücks auch heutzutage eine Gänsehaut bekommt - und das liegt nicht allein an den winterlichen Temperaturen.\n Der Wirt, ein Wendehals par excellence, vermietet sein Lokal erst an die Linken, dann an die Rechten und am selben Abend erneut an die Linken. Stilecht sorgt er jeweils für passenden Tischschmuck und ersetzt die roten Nelken gegen Kornblumen. In dieser Rolle gibt Karl Maria Kinsky vor allem gegen Ende ein Paradebeispiel des betrunkenen Herrn Karl-Typus. Georg Kusztrich spielt mit entlarvender Bravour einen Stadtrat, dem längst die marxistischen Ideale abhanden gekommen sind; falls er nicht gerade hohles Politikerdeutsch von sich gibt, oder vorm rechten Kameradschaftsführer kuscht, hackt er verbal auf seiner Frau herum, die in Gestalt Christina Saginths erst Mitleid und zum Finale Bewunderung erregt.\n \n Was sich hier in scheinbar gemütlicher Stimmung abspielt, ist trotz der komödiantischen Einkleidung eine echte menschliche und politische Tragödie: das Versagen der Linken begünstigt das Heraufziehen der braunen Gefahr. 1931 war das für alle, die ihre Augen nicht verschließen wollten, zweifellos schon sehr leicht absehbar, obwohl man nicht ahnen konnte, wie schlimm es tatsächlich kommen würde; 2017 sollten wir – im Wissen um das Geschehene - klüger sein, könnte man meinen (und der Ausgang der letzten Wahl gibt wenigstens wieder etwas Hoffnung).\n \n franco schedl\n \n Komödie nach Ödön von Horváth \n Inszenierung: Bruno Max\n\r\nQuelle Text:\n https://www.events.at/e/eine-italienische-nacht#st-241578991\n\r\nQuelle Foto:\n\r\nPixabay\n\r\nQuelle Video:\n\r\nYouTube \n \n  \n \n  



Bewertung:

Kommentar schreibenKommentare (0)
Noch keine Kommentare vorhanden.




Datenschutz

Diese Website benötigt Cookies. Einige von ihnen sind essenziell, während andere helfen, diese Website zu verbessern und spezielle Services ermöglichen. Diese Website verwendet keine Marketing-Cookies.